Zeit.

Man sagt gern, dass es mindestens genauso lange dauert, ein Pferd wieder für sich zu gewinnen, wie es gedauert hat, es gegen sich aufzubringen. Wenn nicht noch länger.
In Fietes Fall kann ich also von Glück sagen, dass seine Exbesitzerin sich im Vorfeld so liebevoll um ihn gekümmert hat. So sind ’nur‘ die Zeit des Anreitens und die zwei Monate bei anderen Besitzern auf seinem Negativkonto verbucht. Gleichzeitig ist es ein Segen, dass Fiete keine strukturellen Diagnosen davongetragen hat.
Trotz dieser also eigentlich guten Ausgangslage ist es enorm, wie tief solche Einträge in der Seele eines Pferdes wurzeln. Wir haben für den kurzen gemeinsamen Zeitraum schon tolle Erfolge gefeiert. Ich bin mir aber sicher, dass unser Frieden noch ein leicht irritierbarer ist. Ein Reiter, der mit zu viel Druck einwirkt. Ein Stallhelfer, der sich doch mal unwirsch mit dem Besen Platz verschafft. Ein Sattelgurt, der ohne Bedacht sofort straff angezogen wird… Möglichkeiten gibt es viele. Um unseren Frieden belastbar zu machen, braucht es Zeit. Zeit, in der in absoluter Kontinuität immer gleiche (positive) Muster Fietes Alltag bestimmen.
Dabei sind kleine Abweichungen und Veränderungen inzwischen schon kein Problem mehr – das empfinde ich als Belohnung für den bisherigen Einsatz. Es ist ein Geben und Nehmen.
So hat uns Fiete gestern beschenkt, indem er trotz Sturmes völlig unbeeindruckt mit meiner Freundin seine Runden zog. Arbeitsthema waren Übergänge. Nicht solche, die dem Reiter irgendwie passieren und ihn zum reagieren zwingen. Sondern solche, die man mit Bedacht vorbereitet und die einem erlauben, das sich auf die Hinterhand setzende Pferd groß vor sich zu fühlen. Ich muss gerade schmunzeln – mein Freund würde mir beim Lesen dieser Worte verständnislos den Vogel zeigen. Aber woher sollte er auch dieses besondere Gefühl und diese Glückseligkeit kennen, die einem allein ein rundum gelungener Übergang vermitteln kann? Oder die daraus erwachsende Ahnung, was da noch alles kommen kann?
Meine Freundin kann dieses Gefühl seit gestern nachvollziehen. Das verdanken wir Fiete und der bisher investierten Zeit. Insofern ist erst recht klar, dass er genau von dieser Zeit noch so viel mehr bekommen darf.

Veröffentlicht am: 10.03.2019