Zebras

Auch außerhalb des Pferdestalles ist mein Pferdemädchenherz immer aktiv. Wahrscheinlich nerve ich meine Umgebung damit gelegentlich. Denn selbst als Erwachsene kann ich noch immer aus dem fahrenden Auto mit dem Finger auf eine entfernte Koppel zeigen und verzückt ‚guck‘ mal, ein Pferd!‘ rufen.
Eigentlich bin ich den ganzen Tag in irgendeiner Weise mit unseren geliebten Vierbeinern beschäftigt. Anders war es auch nicht, als ich mit meinem Schatz einen Ausflug in einen Tierpark gemacht habe. Wenn schon nicht die domestizierten Hauspferde zur Verfügung stehen, müssen eben Zebras herhalten.
Da meine Sicht inzwischen weit weniger verklärt, dafür aber permanent analytisch ist, fiel mir sofort Eines ins Auge: Zebras sind nicht trageerschöpft! Von allen Anwesenden Exemplaren war jedes Einzelne mehr als stabil in Bezug auf seine thorakale Getragenheit. Einige wirkten sogar eher konvex, denn konkav.
In meinem Beitrag zur Trageerschöpfung habe ich als eine mögliche Ursache unsere heutige Zucht von hypermobilen Pferden angesprochen. Die immer größer und eindrucksvoller wirkenden Bewegungen müssen natürlich irgendwo herkommen. Jedes einzelne Gelenk hat somit ein deutlich größeres Gelenkspiel, was zu Lasten der Stabilität geht. Instabilere Gelenke haben eine höhere Verschleißanfälligkeit. Insofern verwundert es nicht, wenn das heutige Reitpferd viel früher in Rente geschickt wird, als es noch vor 50 Jahren der Fall war.

Zebras werden nicht geritten, insofern hinkt der Vergleich mit unseren Reitpferden. Ein Vergleich, der aber nicht hinkt, ist der mit Jungpferden vor dem Anreiten. Auch bei vielen dieser Jungspunde sind bereits deutlich geschwungene Oberlinien sichtbar. Diese Pferde sind im Prinzip gar nicht mehr in der Lage, aus ihrer eigenen Stabilität heraus einen Reiter zu tragen. Im besten Fall geraten sie an jemanden, der sich dieser Tatsache bewusst ist und sie im Vorfeld sorgsam ins Tragen schult. Den schlechtesten Fall sieht man allerdings deutlich häufiger.
Eigentlich könnten uns also Zebras besser tragen, als unsere extra dafür gezüchteten Reitpferde.
Das ist fast schon ironisch.
Ich verstehe aber auch den Züchter gut. Hat er einigermaßen die Wirtschaftlichkeit seiner Zuchtleidenschaft im Blick, wird ihm kaum etwas anderes übrig bleiben, als den spektakulären Langtreter zur schnellstmöglichen Vermarktung zu züchten. Es entstehen sehr sensible, gleichzeitig instabile Bewegungstalente, die vom Otto-normal-Reiter ohnehin kaum mehr zu bedienen sind.
Vielleicht wäre etwas mehr Zebra für unsere Zucht trotzdem wieder eine ganz gute Idee?
Stabilere Pferde, dafür mit weniger Bewegung. So könnte ein Jeder sein Pferd leichter sitzen und hätte wahrscheinlich viel länger Freude mit seinem Pferdepartner. Denn auch ohne brillante Fähigkeiten des Reiters wären solche Tiere weniger anfällig. Es müssten ja auch nicht gleich Streifen sein…

Veröffentlicht am: 29.04.2019