Es läuft nicht alles linear.

Reiter sein heißt Selbstzucht üben und Achtung vor der Kreatur zu haben.
Dieser Sinnesspruch hängt in fast jeder deutschen Reithalle. Ob ihn wohl schon jeder bemerkt hat? Zumindest wird man als Reiter (oder auch als anders am und mit dem Pferd passionierter Mensch) genau in Bezug auf den Sinn dieses Spruches immer wieder auf die Probe gestellt.
Es ist nicht jeden Tag gleichermaßen einfach, sich selbst gut zu reflektieren und zu kontrollieren. Es ist nicht jeden Tag gleichermaßen einfach , die Kreatur Pferd angemessen zu achten. Auch für mich ist es das nicht. In den Phasen, in denen alles ‚rund‘ läuft, ist das natürlich kein Problem. Wer wäre schon auf etwas wütend, was genau nach Plan funktioniert?
Nur wie selten ist das im Umgang mit Pferden wirklich der Fall? Ich muss feststellen, dass die genaue Betrachtung eines jeden Winkels des Pferdesportes es einem nicht gerade leichter macht, entspannt zu genießen. Es gibt wirklich nichts, was ich nicht schonmal durchdacht hätte. Nichts, was nicht schon verändert, probiert, verworfen und wieder von vorn begonnen wurde. Hat man damit erstmal angefangen (das kennen sicher viele), ist irgendwie nichts mehr selbstverständlich.
Passt der Sattel WIRKLICH? Ist das Futter gut genug/das Richtige/schmackhaft/gesund? Ist die Hufstellung in Ordnung und das Intervall, in dem der Hufschmied kommt, passend? Ist der Zaun sicher genug? Welches Gebiss mag das Pferd wirklich am Liebsten – oder sollte es nicht häufig wechseln dürfen (wer will schon immer das Selbe im Maul haben)? Wie guckt es, was denkt es wohl, welches Bein winkelt es heute seltsam in irgendeine Richtung? War der erste Schritt aus der Box nicht irgendwie untaktmäßig…???
Die Selbstzucht besteht auch darin, über all diese Themen nicht wahnsinnig zu werden. Wie schön waren die Ponyzeiten, in denen man ohne Sattel (und ohne Furcht), nur mit Halfter und Strick über den Zaun des Spielplatzes sprang. Was da alles hätte passieren können!! Ist es aber nicht. Sicherlich auch genau deshalb, weil man die Dinge einfach leicht genommen hat.
Genauso leicht versuche ich gerade zu nehmen, dass Fiete derzeit keine rasanten Fortschritte macht. Zugegeben, ich war da jetzt durchaus etwas verwöhnt, aber man gewöhnt sich ja doch etwas an die schillernden Berichte seiner Blitzentwicklung.
Derzeit also nicht.
Ich verbringe gerade viel Zeit damit, den schon besprochenen Übergang von Hals- zu Brustwirbelsäule zu mobilisieren. Hierfür geht Fiete in allen Varianten seitwärts. Entlang der Bande, um mich herum, mit hohem Kopf, mit tiefem Kopf, mit Bridle, nur am Halfter… Es stellen sich durchaus kleine Erfolge ein. Aber ‚Plopp und fertig‘ klappt gerade nicht. Eigentlich muss es das auch nicht, wir haben ja Zeit.
Also beginne ich in jeder Arbeitseinheit erneut, die kaugummizähe, rot leuchtende Hauptzone meiner Aufmerksamkeit in Gang zu bringen. Gleichzeitig versuche ich, mich nicht wahnsinnig zu denken (auch ich bin da stinknormaler Pferdebesitzer: ‚Was,wenn er da bereits Facettengelenksarthrosen hat?‘ – hat er mit Sicherheit nicht, aber ihr werdet verstehen,was mein hysterisches Gehirn meint).
Ich werde weiterhin geduldig daran arbeiten. Ich werde weiterhin meine hysterischen Emotionen nicht auf das Pferd übertragen. Denn eigentlich weiß ich – bald macht es ‚Plopp‘.
Somit Kopf hoch an alle, die sich beim Lesen an sich selbst erinnert fühlen.
Weitermachen, getreu dem nordfriesischen Motto: ‚Anhalten tut kriegen!’
Veröffentlicht am: 03.02.2019